Vorwort
Der Archivbestand Familiennachlass Schurzfleisch im Landesarchiv Thüringen - Hauptstaatsarchiv Weimar umfasst 414 Verzeichnungseinheiten im Umfang von sieben laufenden Metern aus den Jahren 1643-1925 mit Abschriften historischer Dokumente ab 1036.
Er enthält im wesentlichen Unterlagen von vier Familienmitgliedern. Der Weimarer Bibliothekar Heinrich Leonhard Schurzfleisch (1664-1722) hinterließ nach seinem Tode neben seinem eigenen Nachlass an Handschriften und Büchern den bis dahin von ihm verwahrten Nachlass seines berühmten Bruders Conrad Samuel Schurzfleisch (1641-1708). Einige wenige Dokumente dieses im engen provenienzmäßigen Zusammenhang stehenden Familiennachlasses stammen aus der Hinterlassenschaft des Vaters Johannes Schurzfleisch, Prorektor am Korbacher Gymnasium, sowie des zweiten Bruders und Arztes Johann Anton Schurzfleisch.
Der zusammengefasste Archivbestand enthält Manuskripte, Materialsammlungen, Konzepte eigener Arbeiten, Notizen, Korrespondenzen sowie Zeugnisse aus beruflicher und privater Tätigkeit. Weitere Nachlassteile in Form einer wertvollen Gelehrtenbibliothek und von 124 historischen Landkarten (im wesentlichen aus dem Besitz Conrad Samuel Schurzfleischs) sind in verschiedenen Sammlungen der heutigen Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar überliefert.
Die Brüder Conrad Samuel und Heinrich Leonhard Schurzfleisch standen beide in den letzten Jahren ihres Berufslebens im Bibliotheksdienst des Herzogs Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar (1662-1728). Dieser wissenschaftlich interessierte Fürst gilt als Begründer der Weimarer Bibliothek.
Nach nur zweijähriger Amtszeit als erster Direktor der Weimarer Bibliothek verstarb der 67jährige in der Gelehrtenwelt Europas hochgeschätzte und geachtete Polyhistor Conrad Samuel Schurzfleisch.
Seinen wertvollen Nachlass hinterließ der Gelehrte seinem jüngeren Bruder Dr. jur. Heinrich Leonhard Schurzfleisch. Dieser trat dann auch am 1. November 1708 die Nachfolge als Bibliotheksdirektor in Weimar an.
Der gesamte persönliche Gelehrtennachlass der Brüder Schurzfleisch ging nach einem Rechtsstreit zwischen Herzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar (ohne nachweisbare Ansprüche) und den Erben in den Besitz des fürstlichen Hauses über.
Auskunft über die Bibliothek der Brüder Schurzfleisch, deren Umfang auf 7.000 Bände abzüglich der Dubletten geschätzt wird, gibt ein noch vorhandener dreibändiger nach Formaten und innerhalb dieser im wesentlichen alphabetisch geordneter Katalog. Johann Mathias Gesner, Konrektor am Weimarer Gymnasium und später Professor in Göttingen, dem 1723 die fürstliche Bibliothek unterstellt wurde, ist es zu verdanken, dass in einem systematischen Katalog die Handschriften der Schurzfleischiana aufgeführt sind.
Später wurde der gesamte Nachlass zusammen mit allen anderen Buchbeständen und Handschriftensammlungen aus dem Residenzschloss (der Wilhelmsburg) in das sogenannte Grüne Schloss (heutige Herzogin Anna Amalia Bibliothek) überführt. Im neuen Domizil wurde der Schurzfleisch-Nachlass in der Folgezeit einzelnen Sammelgebieten zugeordnet, wodurch der Provenienzzusammenhang des Gesamtbestandes verlorengegangen ist.
Bis 1969 verblieb der handschriftliche Nachlass in der Thüringischen Landesbibliothek als Nachfolgerin der ehemaligen Großherzoglichen Bibliothek zu Weimar. Mit deren Eingliederung in die Zentralbibliothek der deutschen Klassik der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar wurde er schließlich mit zahlreichen anderen Nachlässen aus der Handschriftenabteilung der Bibliothek an das Goethe und Schiller-Archiv abgegeben. Im Rahmen eines Archivalienaustausches gelangte der Teilnachlass Schurzfleisch im Dezember 1984 in das Staatsarchiv Weimar, das heutige Landesarchiv Thüringen - Hauptstaatsarchiv Weimar.
Quantitativ wird der Teilbestand bestimmt von den Manuskripten, wissenschaftlichen Ausarbeitungen und Materialsammlungen Conrad Samuel Schurzfleischs. Sie lassen ihn hervortreten als Gelehrten und Universitätsprofessor an der Schwelle vom 17. zum 18. Jahrhundert, der sein universelles Wissen in Geschichte, Poesie, klassischer Philologie und Eloquenz als Zeugnis seines Schaffens sowie als Quelle zur Beförderung der Wissenschaft der Nachwelt hinterlassen hat. Sein jüngerer Bruder Heinrich Leonhard Schurzfleisch war als Nachlassverwalter bereits reger Nutzer dieses reichen Quellenfundus.
Die Korrespondenz von Conrad Samuel und Heinrich Leonhard Schurzfleisch umfaßt ca. die Hälfte der Archivalieneinheiten, wobei die eigenen Briefe naturgemäß den kleineren Teil bilden. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang zwei geheftete Briefkonzeptbände des älteren Schurzfleisch. Briefe von gelehrten Freunden und Bekannten an Conrad Samuel wurden 1717 von dessen Bruder als Druckvorlage zusammengestellt. Geschäftliche und persönliche Unterlagen tragen trotz sparsamer Überlieferung zur Ergänzung familiengeschichtlicher Daten bei.
Aufgrund der Bedeutung und der ausgedehnten Kommunikationsbeziehungen des Gelehrten sind ergänzende Quellen zur Schurzfleisch-Forschung in zahlreichen weiteren Archiven und Bibliotheken zu finden. Für Deutschland seien exemplarisch folgende Institutionen aufgeführt: Forschungs- und Landes-bibliothek Gotha, Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel, Hessisches Staatsarchiv Marburg, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Archiv), Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, Bayerische Staatsbibliothek München, Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg.
Die Verzeichnung des Nachlasses steht am Ende mehrerer Verzeichnungsansätze, die während der 20er Jahre innerhalb der seinerzeitigen Weimarer Landesbibliothek zu ersten ernsthaften Arbeiten führten. Der Nachlass wurde schließlich zu Beginn der 1990er Jahre - nunmehr unter archivischen Gesichtspunkten - neu signiert und zugleich durch ein Zettelrepertorium der Forschung zugänglich gemacht. Die neu vergebenen Signaturen lösten die alten Bibliothekssignaturen nach Quart- und Folioformaten ab
Die vorbereitende Erschließung des im Hauptstaatsarchiv Weimar überlieferten Archivbestandes erfolgte durch Archivrätin Jutta Fulsche. Die weitere und abschließende Bearbeitung lag bei Herrn Oberarchivrat Dr. Gerhard Menk vom Hessischen Staatsarchiv Marburg im Rahmen eines Archivprogramms Hessen-Thüringen. Die Ergebnisse dieser Verzeichnung bildeten 1994 den Auftakt zur Veröffentlichung von Findmitteln des Thüringischen Hauptstaatsarchivs Weimar. Das gedruckte Repertorium enthält eine ausführliche Würdigung des Wirkens Conrad Samuel Schurzfleischs und seiner Familie durch Gerhard Menk. Die Archivarin Jutta Fulsche behandelt darüber hinaus die Bestandsgeschichte. Die Kooperation erstreckte sich auch auf die Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Bibliotheksdirektor Dr. Michael Knoche besorgte die bibliographische Bearbeitung der gedruckten Überlieferung zu Conrad Samuel Schurzfleisch und den anderen Familienmitgliedern in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar.
Die Zitierweise erfolgt beispielhaft folgendermaßen:
Landesarchiv Thüringen - Hauptstaatsarchiv Weimar, Familiennachlass Schurzfleisch Nr. 1, Bl. 1r.
Als Abkürzung für das Archiv kann LATh - HStA Weimar verwendet werden.
Literatur:
Nachlass der Familie Schurzfleisch. Bestandsverzeichnis und Bibliographie bearb. von Gerhard Menk in Verbindung mit Jutta Fulsche und Michael Knoche (Repertorien des Thüringischen Hauptstaatsarchivs Weimar; 1), Weimar 1994.